70 % aller Unternehmer haben ihren Notfallkoffer nicht oder nur unzureichend gepackt. Fällt der Chef unerwartet aus, wird es für kleine Firmen schnell existenzbedrohend, weil z.B. keine Kontenvollmachten vergeben oder Stellvertreterregelungen vereinbart und umgesetzt wurden. Dieser Fachbeitrag zeigt auf, was auf jeden Fall in einen solchen Notfallkoffer gehört.

Im ersten Teil gehen wir hierbei insbesondere auf die Stellvertreterregelungen und die erforderlichen Vollmachtsregelungen ein. Der zweite Teil konzentriert sich auf die Schlüsseldokumente eines Notfallkoffers und zeigt an einem praktischen Beispiel, wie die gesetzliche Erbfolge und der Gesellschaftsvertrag ein Unternehmertestament aushebeln können.

Stellvertreter-Regelung

Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen ist der Inhaber oh die wichtigste Person im Unternehmen. Bei ihm laufen die Stränge zusammen, er hat die volle Verantwortung für sein unternehmerisches Handeln. Den- noch sollte er sich die Frage stellen, wem er im Falle eine Notfalls die Verantwortung übertragen würde.

„Jeder Unternehmer sollte eine schriftlich fixierte Stellvertreterregelung haben“, sagt Nils Koerber, Berater für Unternehmensnachfolge in Bremen. Er unterstreicht im Interview mit „Impulse“, dass diese Nachfolgeregelung auch mit dem Betroffenen besprochen sein muss: „Ich hatte schon Fälle, in denen der Stellvertreter nichts von seiner Rolle wusste. Und er wollte die Verantwortung auch gar nicht.“

Es hilft übrigens auch nicht, seinen Ehepartner als Stellvertreter einzusetzen. Dies liegt schlichtweg in der Tatsache begründet, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass einem Ehepaar z.B. auf einer gemeinsamen Urlaubsreise gemeinsam etwas zustößt und damit eine Vertreterregelung obsolet ist..

Beiratsregelung

Für Unternehmen ab etwa 15 Mitarbeitern bietet sich aus diesem Grund die Einrichtung eines Beirates an. Dies können z. B. 1 – 3 Unternehmer oder auch der Steuerberater sein. Dieses tolle und kostengünstige Instrument ist sehr leicht einzuführen: Die Beiratsmitglieder beraten den Unternehmer und können wichtige Impulse im normalen Tagesgeschäft einbringen. Im Notfall bleibt ein Unternehmen durch einen solchen Beirat handlungsfähig: Er kann einspringen und zeitweilig die operative Leitung eines Unternehmens übernehmen.

Vollmachten

Ein ganz wesentlicher Bestandteil einer Notfallakte sind die Vollmachten: Dazu zählen Privatvollmachten und Kontovollmacht für die Firmen- und Privatkonten sowie eine Handlungsvollmacht oder Prokura für den Stellvertreter. Eventuell sollte letztere bei einem Anwalt hinterlegt werden: Der darf sie erst herausgeben, wenn der vorher explizit besprochene Notfall eintritt.

Unternehmertestament

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil eines Notfallkoffers ist das Unternehmertestament: Mittels diesen Testamentes wird geregelt, wie es mit der Firma und der Familie weitergehen soll. Denn die Praxis zeigt, dass die gesetzliche Erbfolge nur selten für den erfolgreichen Fortbestand einer Firma gut ist.

Da in Deutschland Gesellschaftsrecht vor Erbrecht geht, ist unbedingt dar- auf zu achten, dass ein Unternehmertestament mit dem Gesellschaftsvertrag synchronisiert wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Unternehmensbeteiligung im schlimmsten Fall verloren geht.

Welche dramatischen Folgen eine Vernachlässigung des Themas haben kann, zeigt der Erbrechtsfall der Unternehmerfamilie Ostmann. Als die Hauptgesellschafterin, eine Enkelin des Gründers von „Ostmann Gewürze“, sich scheiden ließ, änderte sie ihr Testament. Alleinerbin sollte nun ihre Tochter werden, die aus der gescheiterten Ehe stammte. Ihr Ex-Mann war damit enterbt.

Es folgte ein schwerer Autounfall, in dessen Folge zuerst die Mutter und wenig später die Tochter verstarben. Dies setzte eine Erbfolge in Gang, die ganz und gar nicht dem erklärten letzten Willen der Enkelin des Firmengründers entsprach: Ihre noch minderjährige Tochter war zunächst Alleinerbin. Aufgrund mangelnder Regelungen griff nach dem Tod der Tochter die gesetzliche Erbfolge: Der gesamte Nachlass inklusive der Gesellschaftsbeteiligung ging ungewollt an den Vater und Ex-Mann. Diese ungewollte gesetzliche Erbfolge hätte leicht durch die Bestimmung eines Ersatzerben für den Fall des Todes der Alleinerbin verhindert werden können.

Dieses Beispiel zeigt, dass sich die Investition in eine anwaltliche Prüfung, welche die bisher getroffenen Regelungen vor dem Hintergrund der aktuellen Lebens- und Familienverhältnisse auf Widersprüche und die Auswirkungen des neuen EU-Erbrechts unter die Lupe nimmt, auf jeden Fall auszahlt.

Weitere Schlüsseldokumente für Unternehmen und Privates

In eine Notfallakte gehören zusätzlich noch eine ganze Reihe von Dokumenten, über deren Notwendigkeit für den Notfallkoffer im Einzelfall entschieden werden muss. Dazu zählt u. a. eine Aufstellung aller Fristen, eine Adressliste mit den Daten von Kunden-, Lieferanten und anderen Geschäftspartnern und Versicherungspolicen. Ergänzend dazu helfen im Notfall eine Schlüsselliste und eine Anleitung, wo die wichtigsten Geschäftsunterlagen zu finden sind.

Ganz wichtig ist auch eine Liste mit Passwörtern und Pins für die Computer, Bankverbindungen, Online-Dienste und die sozialen Netzwerke. Denn in den sozialen Netzwerken ist man (fast) unsterblich.

Für den privaten Teil des Notfallkoffers ist eine Vermögensaufstellung, ein Notfallplan mit den ersten Schritten und nicht zuletzt der Aufbewahrungsort von Testament, Gesellschaftervertrag und Patientenverfügung dringend anzuraten.

Autor:
Wolfgang A. Bürger

Rechtlich selbständiger Partner bei KERN, Unternehmensnachfolge. Erfolgreicher.
Verantwortlich für die Standorte Nürnberg und Würzburg

Mail: buerger@kern-unternehmensnachfolge.com
Handy: +49 178 6844 292