Eigentlich war ich von einem befreundeten IT-Experten gebeten worden, den Leitern eines kleinen inhabergeführten Betriebs in Mittelfranken zu erläutern, welche Fördermittel es für das vom Kollegen vorgeschlagene Digitalisierungsprojekt gibt. Aber es kam ganz anders.

Die Ausgangslage

Schon im ersten Gespräch wurde schnell klar, dass es einige Baustellen im Unternehmen gab – die Frage der Digitalisierung war nur ein kleiner Baustein. Es lagen alle Risikofaktoren der Zukunftssicherung eines Unternehmens vor. Dazu im Einzelnen:

Mangel an Fachkräften

Die MitarbeiterInnen des Unternehmens waren ausnahmslos über 50 Jahre alt. Es war einfach auszurechnen, wann die Know-how-Träger das Unternehmen verlassen werden. Es fehlte vollkommen am Aufbau einer vernünftigen Altersstruktur. Und hier wird der Unterschied zwischen Theorie und Praxis schnell deutlich.

Die typischen sieben Handlungsfelder zur Fachkräftesicherung sind:

Der Einsatz dieser klassischen Handlungsfelder zur Fachkräftesicherung wären hier aber völlig nutzlos ge-wesen, da sie rechtzeitiges Handeln voraussetzen. Das ist aber in mittelständischen Betrieben nicht immer gegeben.

Fehlende Nachfolge

Die Nachfolge war nicht geregelt. Beide geschäftsführenden Gesellschafter hatten vor kurzem das Renteneintrittsalter erreicht. In den Familien (die Beiden waren verschwägert) fand sich niemand, der diese Aufgabe hätte übernehmen können oder wollen, im Betrieb war niemand hierfür aufgebaut worden. Es fehlte an einer zweiten Führungsebene, die für diese Aufgabe rechtzeitig vorbereitet worden wäre. Und für Investoren jeder Art war das Unternehmen offensichtlich nicht attraktiv genug. Die Inhaber wollten die Arbeitsplätze für die langjährigen Mitarbeiter erhalten und deshalb einen Weg finden, wie das Unternehmen weitergeführt werden kann. Aber die Zukunft des Unternehmens war vollkommen unsicher.

Keine Innovationen

Eine Produktinnovation hat es im Unternehmen das letzte Mal vor weit über 10 Jahren gegeben. Der Vor-schlag für ein Digitalisierungsprojekt war der erste Ansatz seit Jahren, ein Projekt für Prozessinnovation durchzuführen. An sich war ein solches Projekt längst überfällig. Andererseits war aber auch klar, dass dies allein nicht die vorliegenden Probleme lösen kann.

Leider ist die nachlassende Innovationstätigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen des kleineren Mittelstands mit zunehmendem Alter der Inhaber ein häufig auftretendes Problem. Insgesamt nahmen die Innovatoren stark ab, wie die nachstehende Grafik der KfW-Bank zeigt. Davon betroffen sind vor allem kleine Unternehmen. Großunternehmen dagegen steigerten ihre Innovationsaktivitäten, so dass die Schere immer weiter auseinander geht.

Sinkende Ertragskraft

Wenn man weiß, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Höhe der Gewinnspanne und der Innovationsquote gibt, verwundert es nicht, dass das Unternehmen mit sinkenden Erträgen zu kämpfen hatte. Dem steigenden Wettbewerbsdruck begegnete das Unternehmen durch eiserne Kostendisziplin und lei-der auch durch Unterlassen von zukunftssichernden Investitionen.

Resümee

Bei dem Unternehmen lagen alle vier Risikofaktoren der Zukunftssicherung im Mittelstand in einem Aus-maß vor, wie es dann doch schon ungewöhnlich ist. Dazu kam, dass die Inhaber kein oder kaum Geld in die Hand nehmen wollten, um die Situation zu verbessern.

Und der Zeitrahmen, um die drei Säulen der Zukunftssicherung wieder aufzubauen, so dass das Unternehmen wieder attraktiv wird für junge Fachkräfte und potenzielle Nachfolger, für Kunden und für Kapitalgeber, war angesichts des Alters der Inhaber und der vorgefundenen Situation zu kurz.

Positiv war, dass der Wunsch der Inhaber sehr groß war, dass das kleine Unternehmen fortgeführt wird.

Unser Lösungsansatz

Mit meinem IT-Kollegen war ich schnell einig, dass das angedachte Digitalisierungsprojekt zwar förderfähig wäre, aber bei der Unternehmenssituation in der Luft hinge. Wir mussten vielmehr einen Weg finden, wie es zunächst gelingen kann, dass das Unternehmen überhaupt weitergeführt werden kann.

Wer konnte an einem solchen Unternehmen Interesse haben?

Uns kam nur eine Möglichkeit in den Sinn: Wir mussten eine junge IngenieurIn finden, die eine Idee für eine innovative Produktentwicklung hat, die zu unserem Klienten passt. Junge IngenieurInnen haben oft das Problem, dass sie ihre Ideen nicht mit einem geförderten Entwicklungsprojekt umsetzen können. Selbst wenn sie hierfür ein Unternehmen gründen, würde die Förderung in aller Regel schon deshalb abgelehnt, weil es noch keine nennenswerten Umsätze gibt, die den Eigenanteil der Projektkosten darstellen lassen. Unser Klient könnte also das Problem des Innovators lösen helfen, und umgekehrt könnte der Innovator als potenzieller Nachfolger das Hauptproblem des Klienten, die unsichere Fortführung des Unternehmens, lösen helfen. Das heißt, der junge Ingenieur durfte nicht nur Interesse an der Umsetzung seines Innovationsprojekts haben sondern musste auch bereit sein, langfristig unternehmerisch tätig zu werden.

Wir machten uns also mit Hochdruck auf die Suche nach InnovatorInnen und fragten systematisch bei technischen Lehrstühlen von Universitäten in Nordbayern und bei Instituten ab. Schließlich wurden wir tat-sächlich fündig, und zwar bei einem Fraunhofer Institut. Wir hatten jetzt also einen potenziellen Nachfolger für unseren Klienten mit einer Idee für eine Produktinnovation, die zum betreuten Unternehmen passte. Wir mussten jetzt nur noch die Interessen der beiden Seiten so abgleichen, dass für beide eine gute win-win-Situation entsteht.

Welche Regelungen wurden schließlich gefunden? Und wie haben beide Partner davon profitiert?

Gefundene Regelungen

Es wurde entschieden, das Digitalisierungsprojekt etwas zurückzustellen und stattdessen ein gefördertes Innovationsprojekt zur Entwicklung der Produktidee des jungen Ingenieurs zu starten.

Unser Klient hat den Innovator als technischen Entwicklungsleiter für die Projektlaufzeit des Entwicklungsprojekts eingestellt. Der junge Ingenieur konnte somit seine Produktidee in einem geförderten Projekt realisieren und gleichzeitig das Unternehmen von innen kennenlernen. Er war durch ein sozialversicherungs-pflichtiges Beschäftigungsverhältnis finanziell abgesichert, was nicht jeder Gründer von sich behaupten kann.

Er musste aber bereit sein, neben der normalen Arbeitszeit, die voll dem Projekt gewidmet war, zusätzlich Zeit dafür zu investieren, sich mit den Abläufen des Unternehmens in allen Bereichen vertraut zu machen. Das war für ihn auch kein Problem, schließlich konnte es ja sein Unternehmen werden. Eine gute Möglichkeit, sich eine eigene unternehmerische Existenz aufzubauen mit seiner eigenen Produktidee.

Aber wie stand es mit dem Ziel des Klienten, kein oder kaum Geld in die Hand nehmen zu müssen? Wie konnte erreicht werden, dass das Projekt für die Inhaber ausgabenneutral durchgeführt werden konnte?

Auch für die Inhaber galt, dass Sie bereit sein mussten, zusätzlich zu ihrer bisherigen Arbeit Zeit für die Mitarbeit am Entwicklungsprojekt zu investieren. Durch die Förderung der Arbeitsleistungen der Inhaber konnte insgesamt erreicht werden, dass die Ausgaben für den neuen Entwicklungsleiter durch die Höhe der Fördergelder ausgeglichen wurden. Damit war das Projekt ausgabenneutral.

Fazit

Das Entwicklungsprojekt konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Als Projektpartner war das Fraunhofer Institut beteiligt, das für seinen Erfindungs-Bereich für sieben Jahre eine Umsatzprovision in Höhe von 2% erhielt. Für die Markteinführung wurden noch Fördermittel im fünfstelligen Bereich akquiriert. Durch die Nennung von „entwickelt mit Fraunhofer…“ und „gefördert durch…“ konnte das Vertrauen neuer Kunden leichter gewonnen werden. Das innovative Produkt sicherte eine Alleinstellung des Unternehmens und auskömmliche Spannen. Weitere Produktinnovationen waren in Planung und sollten die langfristige Absicherung ermöglichen.

Die Fortführung des Betriebs war gesichert. Der Innovator übernahm das Unternehmen zu akzeptablen und umsetzbaren Konditionen. Die Inhaber konnten sich letztlich zufrieden zur Ruhe setzen. Die Arbeitsplätze waren gesichert und neue Arbeitsplätze konnten aufgebaut werden.

Jetzt war es an der Zeit, alle üblichen Instrumente der Zukunftssicherung im Mittelstand einzusetzen, um die Entwicklung langfristig aufzubauen. Mit etwas Verzögerung wurde jetzt auch das anfangs angesprochene Digitalisierungsprojekt realisiert, natürlich mit Fördermitteln.