In meiner Heimat Oberfranken gilt: „Ich hob nix gsogt, bassd scho“. Auf hochdeutsch: „Nicht geschimpft ist genug gelobt!“ Am Sonntag beim Mittagessen hat die Mutter immer gefragt: „Wie schmeckt´s?“ Das höchste Lob eines Oberfranken ist dann: „bassd scho!“

Inzwischen bin ich in ganz Deutschland rumgekommen und musste feststellen, dass ähnliche Verhaltensmuster scheinbar nicht nur in Oberfranken zu finden sind, sondern quer durch die Republik – natürlich mit einer anderen dialektbedingten Aussprache.

Wie ich auch feststellen konnte, ist die nicht auf Privathaushalte beschränkt, sondern findet sich auch in den Unternehmen wieder.

Wie geht jetzt aber „Wertschätzung“ im Unternehmen? „Herr Jersch, ich kann doch nicht den ganzen Tag durch den Betrieb laufen, bei jedem stehen bleiben und ihn „wertschätzen“, warf mir ein Vorstand hin, mit dem ich über dieses Thema redete. „Soll ich wohl sagen „das mit dem Hof kehren haben Sie toll gemacht – weiter so“ oder „so wie Sie mit dem Locher umgehen, hat das noch keiner hingekriegt?“

Und er legte nach: „Außerdem habe ich noch nie gelobt, das kann ich nicht, und meine Leute würden mir das jetzt auch nicht abnehmen!“

Müssen Sie auch schmunzeln? Was hat das mit der Wertschätzung auf sich? Wie geht das, ohne „aufgesetzt“ zu wirken?

Mehr als die Hälfte der Menschen, die ihren Job aufgeben, tun dies aufgrund ihrer Beziehung zu ihrem Chef. Kluge Unternehmen stellen sicher, dass ihre Chefs eine gute Balance zwischen Professionalität und Menschlichkeit mitbringen.
Das ist die Art von Chef, der den Erfolg eines Mitarbeiters feiert, Verständnis für jene hat, die gerade eine schwierige Zeit durchmachen und die Mitarbeiter herausfordert, selbst wenn es weh tut.
Chefs, die es nicht schaffen, sich wirklich für ihre Mitarbeiter zu interessieren, werden immer einen höheren Mitarbeiterverschleiß haben. Es ist unmöglich, pro Tag acht oder mehr Stunden für jemanden zu arbeiten, dem man völlig egal ist und den nur die Produktivität interessiert.

Wertschöpfung durch Wertschätzung ist für mich nicht nur eine Phrase, sondern ein „need to have“.

Die Gallup-Studie 2022 https://www.gallup.com/de/472028/bericht-zum-engagement-index-deutschland.aspx zeigt, dass nur noch 6 von 10 Arbeitnehmern:innen ohne Wenn und Aber bei ihrer Firma zu bleiben. 35% haben das Gefühl, ausgebrannt zu sein (Corona-Jahr). Cirka 1/3 sieht sich als „nicht gesehen“ in der Firma.
„Mitarbeitende… mit einer hohen emotionalen Bindung unter anderem weniger Fehltage (-81%), eine geringere Fluktuation (-18% – 43%), weniger Arbeitsunfälle (-64%), weniger Qualitätsmängel (-41%), bessere Kundenbewertungen (+10%) und eine höhere Produktivität.“

Wertschätzung ist also nachweislich ein finanzieller Faktor. Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus?

Aristoteles hat unsere Zeitformen durchleuchtet. In welcher Zeitform finden Mitarbeitergespräche statt? Sehr stark Ergebnisberichtsbezogen (Vergangenheit) oder mehr auf die Zukunft ausgerichtet und wertschätzend in der Kommunikation?

Beherrschen die Führungskräfte Fragetechniken und aktives Zuhören? Oder sind die schnell mit Vorschlägen (Ratschläge und Vorschläge sind auch „Schläge“ – hat mir in jungen Jahren ein Kommunikationstrainer beigebracht) zur Hand?

Aristoteles und Kommunikation:

Und dann benötigen wir natürlich wieder das Umfeld aus Vision, Leitbild, Werten (siehe Post 1 und 2).