Ein Beitrag von Dirk Müller

Wenn der Bundeskanzler diese Woche, – begleitet von mehreren Ministern und einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation -, China bereist, so geschieht das zu einer Zeit, in der schon im Vorfeld jede Interaktion mit China kontrovers diskutiert wird, denn die Zusammenarbeit ist auf verschiedenen Ebenen belastet:  

Geopolitische Spannungen 

Auf geopolitischer Ebene steht Deutschland vor der Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen transatlantischen, europäischen und nationalen Interessen im Verhältnis zu China zu finden. Die zunehmende Spannung zwischen den USA und China sowie die wachsende Rolle Chinas im globalen Gefüge erfordern eine sorgfältige Abwägung der deutschen Position. 

Deutsche Unternehmen unter Druck 

Für deutsche Unternehmen bleiben Marktzugangsbeschränkungen und rechtliche Unsicherheiten in China weiterhin eine Hürde. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage der AHK unter 150 deutschen Unternehmen verdeutlicht, dass etwa zwei Drittel von ihnen unfaire Wettbewerbsbedingungen in China erleben. Insbesondere der Zugang zu politischen Netzwerken, Forschungskooperationen und die Einflussnahme auf Normen werden als unzureichend empfunden. Zudem stehen deutsche Unternehmen vor der Herausforderung, mit Chinas Überkapazitäten auf den Weltmärkten umzugehen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Gleichzeitig erhoffen sich die von der AHK vertretenen Unternehmen von der Kanzlerreise vor allem eine Wiederbelebung der seit der Corona-Pandemie eingeschlafenen Gespräche auf allen Ebenen. 

AHK Survey: Competitiveness of German Companies in China 

Stärken und Schwächen deutscher Unternehmen in China 

Deutsche Unternehmen fühlen sich in ihren traditionellen Stärken wie “Produktqualität” und “Technologieführerschaft” weiterhin im Vorteil gegenüber ihren chinesischen Wettbewerbern. Bei der “Innovationsstärke” schätzt nur noch die Hälfte der deutschen Unternehmen ihre Position stärker ein als die chinesische Konkurrenz. Im Hintertreffen sehen sich die deutschen Unternehmen besonders in den Bereichen “Zeit bis zur Markteinführung” und “Innovationsgeschwindigkeit”, wo sich rund 60% der befragten Unternehmen im Nachteil sehen. Bei der “Kosteneffizienz” betrachten 77% ihre Position als nachteilig. 

 

Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind vielschichtig: Ein zunehmender Kostendruck, sinkende Gewinnmargen, der Verlust von Marktanteilen, eine Verlagerung des Forschungsschwerpunkts und ein steigender Zeitdruck stellen nur einige der Herausforderungen dar, denen sich die Unternehmen stellen müssen. 

China bleibt wichtig! 

In der deutschen Wirtschaft sind bisher nur wenige „De-Risking-Maßnahmen“ erkennbar, die darauf abzielen, einseitige Abhängigkeiten zu identifizieren und aufzulösen. Besonders auffällig ist, dass deutsche Autohersteller (VW) und Chemiekonzerne (BASF) kürzlich ihre Investitionen in China weiter erhöht haben. Auch das AHK Business Confidence Survey für die Jahre 2023/2024 zeigt, dass die große Mehrheit der deutschen Unternehmen sektorübergreifend plant, ihre aktuellen Investitionen in China zu halten oder sogar auszubauen. Lediglich etwa jedes fünfte Unternehmen erwägt, in den nächsten zwei Jahren Investitionen aus China abzuziehen. 

Im Jahr 2023 war China zum achten Mal in Folge der wichtigste Handelspartner Deutschlands (DeStatis), mit einem Handelsvolumen von knapp 255 Mrd. €. Allerdings hat die Bedeutung Chinas als Exportziel für deutsche Waren seit 2022 abgenommen. Mit einem Volumen von etwa 98 Mrd. € ist China nun nur noch die viertwichtigste Exportdestination für Deutschland. Interessanterweise zeigt das AHK Survey, dass dieser Rückgang weniger mit geopolitischen Spannungen zwischen China, den USA und der EU zu tun hat. Vielmehr entscheiden sich immer mehr deutsche Firmen für eine Lokalisierung “in China für China”. Zusätzlich trägt die gegenwärtige Nachfrageschwäche in der zweitgrößten Ökonomie der Welt zu diesem Trend bei. 

Chancen und Risiken Wahrnehmung 

Die komplexen deutsch-chinesischen Beziehungen spielen sich seit geraumer Zeit vor dem Hintergrund eines vorherrschenden negativen Chinabildes in den medialen Diskussionen und Debatten ab. Mitunter erscheint dieses Bild jedoch so verzerrt, dass es gefährlich ist und zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden könnte. In diesem Zusammenhang ist kürzlich das Ergebnis einer Umfrage (RSBK) erschienen, die Einblicke in die Wahrnehmung und Einschätzung des aktuellen chinesisch-deutschen Verhältnisses von Personen gibt, die bereits in China gelebt und gearbeitet haben (Expats), sowie von solchen, die beruflich häufig in China tätig sind (deutsche Geschäftspartner). 

 

Die Beziehung zwischen Deutschland und China ist gekennzeichnet von einer Vielzahl von Herausforderungen und Chancen. Eine eindimensionale Sichtweise führt zu Fehleinschätzungen und hindert eine ausgewogene Strategie im Umgang mit China, die dringend benötigt wird. Um ein Miteinander erfolgreich zu gestalten, ist es entscheidend, einen Ansatz zu verfolgen, der sowohl die geopolitischen als auch die wirtschaftlichen Aspekte berücksichtigt. Durch eine konstruktive Zusammenarbeit können Deutschland und China langfristig von einer stabilen und prosperierenden Beziehung profitieren. 

Autor:
Dirk Müller, MBA; Dipl.-Pol. International Relations
VBU-Partner in Shanghai / China 

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