Das Hinweisgeberschutz-Gesetz

Die EU-Whistleblower-Richtlinie wird Anfang 2023 in deutsches Hinweisgeber-Schutz-Gesetz umgesetzt. Gefordert sind Hinweisgebersysteme, mehrere Meldekanäle, Fristenwahrung, unabhängige und kompetente Ombudspersonen zur vertraulichen Fallbearbeitung und die entsprechende betriebliche Organisation.

Sind Unternehmen darauf vorbereitet?

Als hätten Unternehmer aktuell nicht schon genug Sorgen und operative Herausforderungen zu bewältigen, gibt es in Kürze eine weitere Auflage. Zur Förderung der Integrität von Unternehmen und Organisationen gibt die EU mit der Whistleblower-Richtlinie in einem neuen Stammgesetz Mindestvorgaben für den Schutz von Hinweisgebern (sog. Whistleblowern) vor. Sie soll Anreize schaffen, Rechtsverstöße zu melden und verpflichtet öffentliche und private Organisationen sowie Behörden dazu, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten.

Betroffen sind bereits KMUs mit mehr als 50 Mitarbeitern, die ab Dezember 2023 Hinweisgebersysteme mit mehreren Meldekanälen bereitstellen müssen.

Was kommt genau auf die Unternehmen zu, was ist zu tun und wer bietet Hilfestellung?

Whistleblower Richtlinie Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt 2023

Der sachliche Anwendungsbereich

Die EU-Richtlinie sieht vor, dass Personen geschützt werden, die Verstöße gegen das EU-Recht in bestimmten Bereichen melden – etwa wenn es um öffentliche Aufträge, Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umwelt- und Strahlenschutz, Lebensmittel- Fleischmittelsicherheit, und Hygiene, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Vorgaben des Datenschutzes und der Sicherheit in der Informationstechnik geht.

Der deutsche Gesetzesentwurf geht jedoch weit über die EU-Vorschriften hinaus.

Neben Verstößen gegen das EU-Recht sind alle Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften erfasst und bestimmte Ordnungswidrigkeiten, die Leib, Leben, Gesundheit oder Rechte Beschäftigter oder ihrer Vertretungen schützen. Dies gilt auch für Unterlassungen, die dem Ziel der Richtlinie dienen. Daneben können auch unternehmensinterne Regularien Meldegründe sein, bspw. Verstöße gegen Verhaltensregeln, Firmencodices, ethische Grundsätze.

Beispiele:

• Vorschriften aus den Bereichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
• Verstöße gegen das Mindestlohngesetz,
• Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie Betriebsräten sanktionieren.
• Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche
• Vorgaben zur Beförderung gefährlicher Güter
• Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Arzneimitteln und Medizinprodukten
• Vergaberecht
• Regelungen zur Rechnungslegung bei Kapitalgesellschaften
• Regelungen im Bereich des Wettbewerbsrechts
• Nachhaltigkeitsgrundsätze
• Compliance-Richtlinien oder Vorteilsnahme
• Ebenso betroffen sind verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamten und weitere.

Das Ziel: ein verbesserter Hinweisgeberschutz soll mit den Interessen von verpflichteten Unternehmen und öffentlicher Verwaltung in Einklang gebracht werden, um bürokratische Belastungen handhabbar zu gestalten.

Der persönliche Anwendungsbereich

Wer kann Hinweisgeber sein?

Hinweisgeber sind Personen, die Informationen über Verstöße melden oder offenlegen. Der persönliche Anwendungsbereich soll weit gefasst sein und umfasst alle Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben, insbesondere:

• Arbeitnehmer, auch ehemalige oder künftige Arbeitnehmer, Stellenbewerber, Praktikanten, Leiharbeitnehmer

• Selbstständige, die Dienstleistungen erbringen, Freiberufler, Auftragnehmer, Unterauftragnehmer, Lieferanten und deren Mitarbeiter

• Anteilseigner und Personen in Leitungsgremien

Nach dem HinSchG-Entwurf müssen die internen Meldekanäle zumindest den eigenen Beschäftigten und dem Unternehmen überlassenen Leiharbeitnehmer/-innen offenstehen. Die zur Einrichtung verpflichteten Unternehmen können selbst entscheiden, ob sie das Meldeverfahren darüber hinaus auch (außenstehenden) Personen, die im Kontakt zum Unternehmen stehen, öffnen.

In jedem Fall müssen auch anonyme Hinweise bearbeitet werden.

Umsetzungsstand in der EU

Einige Länder der EU haben die Richtlinie bereits in Landesrecht umgesetzt (z.B. Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweden), andere sind noch in der Entwurfsphase wie Österreich, Belgien, Deutschland, Spanien…), während Italien und Ungarn noch nicht einmal damit begonnen haben.

In Deutschland erfolgte am 19. September 2022 die Übermittlung des Regierungsentwurfs an den Bundestag, die Lesungen im Bundestag dazu fanden am 29.9. und 16.12.2022 statt, die voraussichtlich verabschiedende Sitzung ist für 11. Februar 2023 vorgesehen und das Inkrafttreten des HinSchG drei Monate nach Verkündung ist dann Mitte Mai 2023 zu erwarten.

Wesentliche Anforderungen an Organisationen – welche Unternehmen sind betroffen?

Betreiben eines Hinweisgebersystems

• Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten, unabhängig von der Rechtsform, wie auch Gemeinden und die staatliche Verwaltung haben die Pflicht, ein Hinweisgebersystem vorzuhalten und (kommunale und kommunal kontrollierte Unternehmen) zu betreiben.

• KMUs ab 250 Mitarbeitenden sind bereits jetzt betroffen, für die Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden gilt erleichternd eine Übergangsfrist bis Dezember 2023.

• Das Hinweisgebersystem muss drei alternative Meldekanäle unterhalten, die eine persönliche, mündliche oder schriftliche Meldung von Hinweisen ermöglichen.

• Der persönliche Anwendungsbereich ist weit gefasst; vorgesehen ist die Öffnung des internen Meldekanals für einen weiten Kreis von Hinweisgebern: dies können eigene, künftige oder auch ehemalige Beschäftigte sein (dazu gehören auch Praktikanten, Auszubildende, Heimarbeiter und freie Mitarbeitende), Leiharbeiter ebenso wie Beschäftigte von Geschäftspartnern.

• Auch anonym abgegebene Hinweise müssen bearbeitet werden, das gilt für interne wie für externe Meldekanäle.

Fallbearbeitung – Fristen, Organisation und Prozesse

• Für eingehende Hinweise und deren Bearbeitung ist die Einhaltung von Fristen vorgesehen: 7 Tage bis zur Erteilung einer Eingangsbestätigung und maximal

3 Monate bis zur Rückmeldung an den Hinweisgeber über eingeleitete Folgemaßnahmen und deren Begründung.

• Wer Hinweise entgegennimmt und bearbeitet muss unabhängig, unparteiisch, vertrauenswürdig sein, und über angemessene Eignung und Erfahrung verfügen.

• Hinweisnehmer haben die Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit über die Identität von Hinweisgebern und die Beachtung der Datenschutzvorschriften nach DSGVO.

• Verbunden mit der Fallbearbeitung sind umfassende Dokumentationspflichten wie auch gerichtsfähige und revisionssichere Archivierung. Dies gilt für schriftliche Meldungen, aber auch für Sprachübermittlungen und persönliche Zusammenkünfte.

• Die Löschpflicht für Falldokumentationen beträgt 3 Jahre – entsprechend der zivilrechtlichen Regel-Verjährung.

Rechte, Pflichten, Sanktionen

• Arbeitgeber sind verpflichtet, Mitarbeiter und Führungskräfte zu schulen und die Unabhängigkeit von Fallbearbeitern sicherzustellen.

• Ebenso gilt die Informations- und Kommunikationspflicht der Rechte und Pflichten von Beschäftigten, besonders auch zur Nutzungsmöglichkeit alternativer Hinweisgebersysteme der öffentlichen Hand, die gleichwertig zur Abgabe von Hinweisen genutzt werden können.

• Denn: Hinweisgebern steht es frei, ob sie den internen Meldeweg der Organisation /Ihres Beschäftigungsgebers oder einen externen Meldeweg wählen. Der zentrale externe Meldeweg des Bundes wird das Bundesamt für Justiz sein.

• Es gilt die Pflicht, auch anonyme Hinweise zu bearbeiten, das gilt für interne wie für externe Meldekanäle.

• Repressalien zu Lasten von Hinweisgebern sind verboten, ebenso wie en vertragliches Aufhebungsverbot von Beschäftigten. Es gilt die Beweislastumkehr zu Lasten der Beschäftigungsgeber, d.h. Arbeitgeber müssen nachweisen, dass Sie gesetzeskonform vorgesorgt und gehandelt haben.

• Schmerzensgeld für immaterielle Schäden, die Hinweisgebern entstehen, ist ebenfalls vorgesehen.

• Bußgelder für Zuwiderhandlungen von Arbeitgebern gegen Whistleblower oder auch bei Nichteinführung von Hinweisgeber-Systemem sind vorgesehen, ebenso eine Schadenersatzpflicht für Hinweisgeber, die wissentlich falsche Meldungen absetzen.

Erleichterungen

– Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten sieht der HinSchG-E eine verlängerte Einrichtungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 vor. Diesen Unternehmen ist nach dem HinSchG-E zudem erlaubt, Ressourcen zu teilen und mit anderen Unternehmen eine „gemeinsame Meldestelle“ zu betreiben.

– Pflicht zur Ermöglichung persönlicher Kontaktaufnahme
– Eine „physische Zusammenkunft“ soll in Abstimmung mit dem Hinweisgeber auch in Form einer Videokonferenz erfolgen können.
– Pflicht zur technischen Einrichtung anonymer Kommunikationskanäle
– Pflicht zur Installation einer Ombudsperson
– Übergangsfrist für die technische Einrichtung anonymer Kommunikationskanäle
– Übergangsfrist für die Installation einer Ombudsperson / eines Ombudsrates

Sie möchten mehr wissen oder Unterstützung in der Umsetzung?

• Konfiguration und Implementierung eines digitalen Hinweisgebersystems?
• Erarbeitung von Compliance-Richtlinien?
• Mitarbeiterschulungen und interne / externe Kommunikation?
• Ombudspersonen für die vertrauliche Entgegennahme von Hinweisen und Fallbearbeitung?
• Die innerbetriebliche Organisation der Fallbearbeitung

Die Fallbearbeitung auslagern – Compliance as a Service?
Nehmen Sie gerne Kontakt auf, wir unterstützen Mittelständler pragmatisch in der Umsetzung

Autor:

Karin Scherer, Scherer GmbH, Bondorfer Weg 5, 90482 Nürnberg
Compliance-und Nachhaltigkeits-Managerin, ext. Datenschutz-Beauftragte Restrukturierungsmanagerin
Scherer.karin@vbu-berater.de

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