Ein Beitrag von Dirk Müller
Der internationale Handel erfolgt heute zu etwa 70 % innerhalb globaler Wertschöpfungsketten (OECD 2023). Dies ermöglicht Unternehmen, die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung zu nutzen, macht sie aber auch anfällig für geopolitische Krisen mit erheblichen Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit. 

Gefahren durch geopolitische Konflikte 

Jüngste geopolitische Krisen haben die Schwachstellen globaler Wertschöpfungsketten offengelegt. Konflikte wie der Krieg in der Ukraine, der Gaza-Konflikt, unsichere Transportrouten (z.B. durch Huthi-Rebellen im Roten Meer) und der Wettstreit um geopolitischen Einfluss und die technologische Vorherrschaft in der KI (USA vs. China) haben die Problematik verschärft. Sanktionen, Strafzölle und Entkopplungsstrategien (Decoupling) verstärken diese Dynamik weiter. Eine multipolare Weltordnung entsteht, geprägt von neuen Akteuren und Allianzen wie Indien und dem Globalen Süden. 

Link: Unternehmen im geopolitischen Spannungsfeld 

Eine weltweite Umfrage unter institutionellen Anlegern zeigt, dass geopolitische Risiken als wichtigster Einflussfaktor für die Wirtschaft im Jahr 2024 gesehen werden (Natixis 2024). 

Geopolitische Risikoanalyse und KMU 

 Geopolitische Risikoanalyse wird oft mit Großunternehmen assoziiert (KPMG 2019), ist aber insbesondere für deutsche KMU entscheidend. Über 75 % der deutschen Mittelständler im Bereich Industrie, sind im Außenhandel aktiv, 48 % davon als “Two-way Trader” in globale Wertschöpfungsketten eingebunden (IfM 2023). Viele KMU haben geopolitische Entwicklungen in der Vergangenheit vernachlässigt, doch das ändert sich angesichts des aktuellen geopolitischen Klimas. Eine IfM-Studie von 2023 macht deutlich, dass geopolitische Spannungen in den nächsten fünf Jahren die größten Beeinträchtigungen für Unternehmen darstellen werden. 

 

 

Herausforderungen für KMU 

KMU müssen fundierte geopolitische Risikoanalysen durchführen und Maßnahmen umsetzen, um diese Risiken zu minimieren. Oft fehlen ihnen jedoch die nötigen Ressourcen und der Zugang zu aktuellen Informationen. Maßnahmen zur Minimierung geopolitischer Risiken können umfassende Anpassungen der Geschäftsstrategie erfordern, wie die Diversifizierung von Lieferketten (Nearshoring, Friendshoring, China+1), verstärkte Investitionen in lokale Produktion (in China für China) und die Erschließung neuer Absatzmärkte.

 

 

Der Handlungsspielraum für KMU ist insbesondere im Zusammenspiel mit großen Lead- Unternehmen innerhalb der Wertschöpfungskette begrenzt, wenn sie den strategischen Entscheidungen des Leads folgen müssen. KMU können aufgrund ihrer Reaktionsschnelligkeit besonders gut Nischenstrategien umsetzen, doch ihre Spezialisierung erschwert gleichzeitig die Diversifizierung. 

Trotz erheblicher Herausforderungen ist es für KMU unerlässlich, geopolitische Risiken zu managen und Anpassungsstrategien zu entwickeln, um ihre langfristige Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern (Chartered Institute of Internal Auditors 2023). 

 Der Artikel ist auch als Blog-Beitrag auf der VBU Web-Seite abrufbar. 

Dirk Mueller (MBA; Dipl.-Pol. International Relations) VBU-Partner in Shanghai/China  

Quellen: Chartered Institute of Internal Auditors (2023): Navigating geopolitical risk – Building resilience demands collaboration in a challenging world. EY (2023): 2024 Geostrategic Outlook – How to thrive amid ongoing geopolitical complexity. KPMG (2019): The CEO as Chief Geopolitical Officer. Natixis (2024): NATIXIS INSTITUTIONAL OUTLOOK SURVEY – Brave new world, Geopolitical and economic uncertainty clouds 2024 outlook for institutional investors. OECD (2023): Global value chains and trade. https://www.oecd.org/trade/topics/global-value-chains-and-trade/ André Pahnke, Annika Reiff und Hans-Jürgen Wolter: Entwicklungstendenzen globaler Wertschöpfungsketten aus Sicht mittelständischer Unternehmen, IfM-Materialien Nr. 302, 2023.